Magen und Darmerkrankungen

Häufige Funktionsstörungen von Magen und Darm – immer ungefährlich, häufig lästig, selten einschränkend
Reizmagen und Reizdarm sind Störungen der Funktion von Magen bzw. Darm. Es kommt zu Beschwerden, ohne daß bei Untersuchungen von Magen und Darm eindeutige krankhafte Veränderungen ( wie Entzündungen oder Krebs) nachgewiesen werden können.

 

Die medizinischen Fachbegriffe für Reizmagen sind Funktionelle Dypepsie und für Reizdarm Colon irritabile (englisch: irritable bowel syndrome, abgekürzt IBS). 30% aller Menschen geben (gelegentlich) Beschwerden an, die mit der Diagnose eines Reizmagens oder Reizdarms vereinbar sind. Die Häufigkeit der Beschwerden nimmt mit steigendem Alter zu. In den Industrieländern geben Frauen 2-3mal häufiger Reizmagen oder Reizdarmbeschwerden an als Männer.

Die meisten Menschen fühlen sich durch die Symptome des Reizmagens oder Reizdarms weder eingeschränkt noch krank und gehen deswegen nicht zum Arzt. Etwa 25% der Menschen mit den Symptomen von Reizmagen und Reizdarm suchen den Arzt auf. Meist fürchten sie, an einer körperlichen Erkrankung zu leiden. Es handelt sich daher um eines der häufigsten Beschwerdebilder in allgemeinärztlichen Praxen. Nur 1% der Menschen mit diesen Symptomen sind durch die Beschwerden so eingeschränkt, daß sie dauernder Behandlung durch Spezialisten bedürfen. Das Risiko, an einer entzündlichen oder bösartigen Erkrankung von Magen oder Darm zu erkranken ist bei Reizmagen und Reizdarm nicht erhöht.

Symptome und Verlauf sind sehr unterschiedlich
Nach internationaler Übereinkunft spricht man von Reizmagen bzw. Reizdarm erst, wenn die Beschwerden für mindestens 3 Monate anhalten oder immer wieder ( für Tage oder Wochen) auftreten, und wenn durch medizinische Untersuchungen eine körperliche Erkrankung ( z. B. Magengeschwür, Darmentzündung) als Ursache der Beschwerden ausgeschlossen wurde. Viele Menschen haben sowohl Symptome des Reizmagens als auch des Reizdarms.

Symptome

Reizmagen:
– Oberbauchbeschwerden, die im Hungerzustand auftreten bzw. durch Nahrungsaufnahme gebessert werden
– Nach Nahrungszufuhr: Vorzeitiges Sättigungsgefühl; Völlegefühl; Gefühl des aufgetriebenen Bauches; Übelkeit; Brechreiz bzw. Erbrechen

Reizdarm:
– Bauchschmerzen in Zusammenhang mit: Veränderten Stuhlgewohnheiten ( Durchfälle, Verstopfung oder Wechsel von Durchfällen und Verstopfung); Veränderter Stuhlpassage (erschwert; starker Stuhldrang oder Gefühl unvollständiger Entleerung); Schleimbeimengungen im Stuhl; Blähungen bzw. Gefühl des Aufgetriebenseins; Beschwerderückgang nach Stuhlgang

Weitere Beschwerden können sein:
– körperlich: Reizblase; Kopfschmerzen; Weichteilrheumatismus; Beschwerden im Genitalbereich
– seelisch: Innere Unruhe, Nervosität, Ängstlichkeit, Anspannung, Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen

Von Mensch zu Mensch unterschiedlich – seelische Faktoren von großer Bedeutung
Es gibt keine einheitliche Ursachen von Reizmagen und Reizdarm. Vor allem bei Menschen, die sich durch die Beschwerden eingeschränkt oder krank fühlen, kommen mehrere Faktoren zusammen.

Reizstoffe:
Natürliche oder künstlich hergestellte Nahrungsmittelbestandteile können bei manchen Menschen die genannten Symptome hervorufen. So können Milchzucker, Fruchtzucker oder Sorbitol bzw. Alkohol und Koffein bei manchen Menschen zu Bauchschmerzen und Durchfällen führen. Bauchschmerzen und Blähungen können durch schwerverdaubare Zucker, die z.B. in Kohlarten oder rohen Zweibeln enthalten sind, ausgelöst werden.
Das Bakterium Helicobacter pylori, das bei der Entstehung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren eine wichtige Rolle spielt, ist nicht die Ursache von Reizmagenbeschwerden. Gefühle können ebenfalls Magen und Darm reizen: Ärger kann auf den Magen schlagen und manche “ scheissen vor Angst in die Hosen“.

Ursachen

Reizbarer Magen und Darm

Es kann eine erhöhte Empfindlichkeit ( erniedrigte Schmerzschwelle) von Magen- bzw. Darmwand vorliegen. Die gleiche Menge Luft im Darm wird von manchen Menschen mit Reizdarm als schmerzhaft empfunden, während sie von anderen Menschen gar nicht wahrgenommen wird. Weiterhin können Veränderungen der Motorik (verlangsamte oder beschleunigte Magen-Darmpassage) vorliegen. Die Kontraktionen (Zusammenziehen) der Magen- und Darmmuskeln können verstärkt sein.

Durch welche Faktoren auch immer die Veränderungen der Magen-Darmfunktion ausgelöst sind, ihre Interpretation und das daraus resultierende Verhalten (subjektiv erlebte Einschränkung; Inanspruchnahme medizinischer Behandlung) wird durch seelische Faktoren bestimmt. Streß sowie Ärger oder Angst führen nicht nur zu Veränderungen der Motorik von Magen und Darm, sie erhöhen auch die Wahrnehmung für Schmerzen. Menschen, die sich wegen der genannten Beschwerden in ärztliche Behandlung begeben, haben oft Angst, an einer schweren körperlichen Erkrankung zu leiden.
Menschen, die sich durch die Symptome sehr eingeschränkt fühlen bzw. auf eine symptomatische medikamentöse Behandlung nicht ansprechen, haben oft erhebliche persönliche Probleme( Arbeit, Familie) oder seelische Störungen (Ängste, Depressionen). Auch früherer sexueller Mißbrauch kann einen Einfluß auf die Intensität der Beschwerden und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen haben. Zwischen Großhirn ( Gedanken und Gefühlen) und dem vegetativen Nervensystem bzw. dem enterischen (Magen-Darm) Nervensystem bestehen zahlreiche Verbindungen, welche die Wechselwirkung von Magen/Darm und Psyche als auch das Vorhandensein weiterer körperlicher und seelischer Beschwerden ( siehe Symptome) erklären.

Reizbarer Mensch

Zusammengestellt von Dr. med. Winfried Häuser, Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin