Psycho­analytische Hypnose­therapie
Breuer begann in seiner Morgenhypnose mit Anna O. die Gespräche in der Hypnose, die die karthatischen Prozesse befördern sollten. Doch auch bei Freud lässt sich trotz seiner Abwendung von jener Technik eine Anerkennung der Hypnose unter Maßgabe der Nondirektivität des Psychoanalytikers finden, so schrieb er in seiner Arbeit „Wege der Psychoanalytischen Therapie“, dass es notwendig sei,
„[…] das reine Gold der Analyse reichlich mit dem Kupfer der direkten Suggestion zu legieren[1], und auch die hypnotische Beeinflussung könnte dort wie bei der Behandlung der Kriegsneurotiker wieder eine Stelle finden. Aber wie immer sich auch diese Psychotherapie für das Volk gestalten wird, aus welchen Elementen sie sich zusammensetzen mag, ihre wirksamsten und wichtigsten Bestandteile werden gewiß die bleiben, die von der strengen, der tendenzlosen Psychoanalyse entlehnt worden sind.“ (Freud 1918b, S. 193f.)
Die Begriffsbildung „Psychoanalytische Hypnosetherapie“ erfolgte auch aus einer Distanzierung von dem gegenwärtigen Begriffsgebrauch der Hypnoanalyse. Betrachtet man die frühe Geschichte der Hypnoanalyse, zeigt sich, dass die Hypnoanalytiker Psychoanalytiker waren und die Psychoanalyse im Zentrum der Theoriebildung stand. In diesem ursprünglichen Anliegen, die Hypnose für die Psychoanalyse nutzbar zu machen, sind die Psychoanalytische Hypnosetherapie und Hypnoanalyse vergleichbar und ähnlich. Doch auch zu Beginn der Hypnoanalyse in den 30er-Jahren zeigten sich theoretische Spannungen in Hinblick auf das Verständnis von Freud. So schrieb Freud in seinem Tagebuch, am 14. Februar 1930 an Max Eitingon[2] über eine Broschüre zur Hypnoanalyse von Semyon Lifschitz, Professor der Physik,
„(…) seine Kenntnis der PA ist nicht weit her nach seinen Zitaten zu schließen, den einzigen, etwas abgetragenen Autor, den er erwähnt, heisst er Sprengler, meint wohl Sperber. Er bestätigt all die Charaktere des Traumes, die ich beschrieben habe, doch ist für ihn der Traum sinnlos.“ (Freud, zit. n. Molnar 1996, S. 98)
Das ist bereits eine frühe Kritik an der Hypnoanalyse, die, genauer gesagt darin bestand, dass Freud manchem sogenannten Hypnoanalytiker wenig Kenntnisse von der psychoanalytischen Technik zuerkannte. Die Theorieentwicklung der Hypnoanalyse findet sich zwar psychoanalytisch sehr ausgearbeitet, besonders auch mit Fromm et.al., wie im entsprechenden Kapitel gezeigt wurde. Allerdings lässt die Betrachtung des Behandlungsangebots von Hypnosetherapien in der Gegenwart, wie die oben erwähnte Recherche zeigte, befürchten, dass die Psychoanalyse als Ausgangskonzept Gefahr läuft, diese Position zu verlieren, so ist sie m.E. nicht nur auf ihre Theorie zu Übertragung und Widerstand reduzierbar, wie manchmal aufscheint. Auch der Begriff der Hypnoanalyse findet sich inzwischen nahezu „inflationär“ benützt, so wie auch die eingangs erwähnte Recherche ergab, dass die Berufsbezeichnung Hypnoanalytiker nicht mehr die Ausbildung zum/zur Psychoanalytiker/in beinhaltet damit aber gleichzeitig auch keine vertieften Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung der Psychoanalyse gewährleistet sind.
Es soll jedoch vermieden werden, in den vorherrschenden Kanon der gegenseitigen Abwertung durch Vertreter beider Methoden einzustimmen. Das Anliegen dieser Arbeit liegt dem entgegen gerade in dem Versuch, zu Fragen nach der theoretischen Verbindbarkeit der beiden Diszipline beizutragen, und wie sich in den folgenden Kapiteln zeigen wird, entsprechen eine Vielzahl der hypnoanalytischen Ansätze, insbesondere jene von Fromm, auch jenen der Psychoanalytischen Hypnosetherapie.
Mit Burkhard kann sich die Hypnoanalyse als Alianz von Psychoanalyse und Hypnose eigentlich relativ spät, um die Mitte des 20. Jahrhuderts entfalten, seines Erachtens eröffneten erst
„[…] die theoretische Weiterentwicklung der Psychoanalyse hin zur Ich-Pschologie und die Abkehr von dem strikten suggestionstheoretischen Modell auf Seiten der Hypnose […] neue Perspektiven.“ (Burkhardt 1992, S. 62)
Dies kann in der vorliegenden Arbeit nicht vollständig geteilt werden. So erscheinen mir insbesondere die Beiträge von Simmel mit seiner Theorie der psychoanalytischen hypnotischen Behandlung (Psychokatharsis), und seine Auseinandersetzung mit Regressionsprozessen in der Hypnose für den psychoanalytischen Prozess mit Hypnose bedeutsam, und ebenso Ferenczis Arbeiten zur Mutter/Vaterhypnose sowie zum Dissoziationszustand in der Hypnose – in seinem Konzept der Neokatharsis zeigt er auch die Behandlung seiner Patienten in Hypnose ohne Suggestion, was auch ein Element der Psychoanalytische Hypnosetherapie darstellt. Schließlich fließen in meine Arbeit der Psychoanalytischen Hypnosetherapie auch Aspekte ein, die sich mit Paul Schilder, seiner Fokussierung auf psychophysiologische Äußerungen des Patienten in Hypnose, sowie seinen Aspekten zur Sexualität in der Übertragung bei Hypnosezuständen in einen theoretischen Bezugsrahmen stellen lassen.
Dennoch finden sich mit Erika Fromm, die im vorangegangenen Abschnitt als maßgebliche (Mit-)begründerin der Hypnoanalyse vorgestellt wurde, viele Ansätze, die auch der Psychoanalytischen Hypnosetherapie zugrundeliegen. In ihrem Sinn lässt sich auch das Verständnis von methodischen Elementen der Hypnoanalyse auf jene der Psychoanalytischen Hypnosetherapie übertragen. Dieses lässt sich in der Beschreibung durch Burkhard Peter in seinem Aufsatz „Erika Fromms Beitrag zur Hypnoanalyse“ (1992) wie folgt zusammenfassen:
„Verkürzt gesagt, könnte man Hypnoanalyse zunächst als eine Psychoanalyse bezeichnen, welche durchgeführt wird, während der Patient sich – zumindest teilweise, d.h. 25-70% der Zeit – in hypnotischer Trance befindet.“ (Peter 1992, S. 64)
Im Folgenden möchte ich einige methodische Aspekte, hinsichtlich dessen, wie sie sich im Zuge der psychoanalytischen Arbeit mit Hypnose verstehen lassen, umreißen.
Die Bewusstmachung von Unbewusstem, Verdrängtes erinnern und durcharbeiten als Ich-Stärkung und Ziel der Psychoanalytische Hypnosetherapie
„Wo ‚ES’ ist, soll ‚Ich’ werden“, war ein zentrales Ziel in der Theorie Freuds. (Freud 1923b, S.241) Dieses Ziel spielt auch in der Hypnoanalyse eine wichtige Rolle, und kann ebenso als vornehmliches Ziel der Psychoanalytische Hypnosetherapie verstanden werden. Die diesbezüglich angewandte Methode lässt sich mit Peter i.S. von Fromm wie folgt zusammenfassen:
Wie ordnungsgemäß durchgeführte Psychoanalyse benutzt die Hypnoanalyse bezüglich ihres vorrangen Zieles, dem Aufdecken und Durcharbeiten unbewussten Materials, ebenfalls die klassischen Methoden der freien Assoziation, der Traumdeutung und des Umgangs mit Abwehr und Widerstand und der Übertragung und Gegenübertragung.“ (Peter 1992, S. 64)
Auch bei Freud lässt sich finden, dass die Patienten in der Hypnose sofort über ihr ganzes Erinnerungsvermögen verfügten, ohne dass man es ihnen suggerieren musste. (Vgl. Freud 1892-93, S. 12) Freud meinte dazu:
„Halten wir fest, dass es die peinlichen Kontrastvorstellungen, welche das normale Bewusstsein hemmt und zurückweist, waren, die im Moment der hysterischen Disposition hervortraten und den Weg zur Körperinnervation fanden, so haben wir den Schlüssel auch zum Verständnis der Eigentümlichkeit hysterischer Anfallsdelirien in der Hand.“ (Freud 1892-93, S.14)
Diesbezügliche Erfahrungen lassen sich auch mit jenen aus der Psychoanalytische Hypnosetherapie teilen.
Patienten erleben ihre eigene Lebensgeschichte wieder und beginnen das Verdrängte zu erinnern. Im Unterschied zur Hypnose oder Hypnotherapie geht es allerdings nicht um das Initiieren von Veränderungen, sondern darum, das Verdrängte zu erinnern und durchzuarbeiten. Die Veränderung findet unbewusst statt. Falls der Patient die eigene Biografie in Bildern erlebt, frage ich nach Affekten, nach Emotionen. Er deutet, konstruiert und rekonstruiert und erreicht eine tiefere Regression im Dienste des Ichs.
Die Rolle der freien Assoziation in der Psychoanalytischen Hypnosetherapie
Auch die immer wieder vorzunehmende Auseinandersetzung mit der Grundregel der freien Assoziation, der Suggestion und den psychoanalytischen Wirkfaktoren lässt die Beschäftigung mit der Hypnose erneut als bedeutsam erscheinen.
Die freien Assoziationen erlauben dem Patienten in der Hypnose, sich in das Unbewusste zu vertiefen. Der Ansatz von Fromm lässt sich dabei auch für die Psychoanalytische Hypnosetherapie gültig beschreiben:
„Wie in der Psychoanalyse wird der Patient auch in der Hypnoanalyse angehalten, frei zu assozieren. In Hypnose entstehen diese freien Assoziationen leichter und eher in Form von Imaginationen anstatt von reinen verbalen Assoziationen; als eher primärprozesshafte Erscheinungen, die leichter zugrundeliegende Konflikte, Wüsche und Abwehroperationen offenbaren, wird damit auch häufiger gearbeitet als mit verbalen freien Assoziationen.“ (Peter 1992, S. 64)
In der Behandlung werden Träume wieder bewusst. Es ist auch möglich, dass die Patienten ihren Traum auf der Couch fortführen, bis sie das Ziel des therapeutischen Traums verstehen können. Die Hypnose auf der Couch geschieht nach einer gewissen Zeit automatisch, manche Patienten fallen in eine ganz tiefe Hypnose und erleben fast psychotische Episoden. Sie können mit Hilfe des Therapeuten diese Zustände im Dienste des Ichs aushalten, bewältigen und verstehen.
Aus Mangel an Urvertrauen entwickeln Patienten viele Vorstellungen, die Angst erzeugen. Die Auffforderung an den Patienten, sich in der Hypnose die Frage zu stellen „Was wäre, wenn …” eröffnet ihm Bilder und Vorstellungen zu entwickeln, anhand derer sich die bedrohlichen Gefühle begreifen, verstehn und bearbeiten lassen. So lernen sie, sich mit ihrer Angst zu konfrontieren und sie zu bewältigen, was wiederum einen Wachstum des Ichs ermöglicht.
In der Psychoanalytischen Hypnosetherapie werden die Symptome hinsichtlich ihrer Verdrängungserlebnisse rekonstruiert, verstanden und mit den richtigen Emotionen und Affekten korrigiert. Das wird in der Regel sehr dramatisch erlebt.
In der Therapie lassen sich dabei über den Zustand der Hypnose oftmals rasche Regressionszustände aus früh erlebten Kindheitsphasen beobachten. Diese zeichnen sich darüber hinaus auch durch eine besondere Intensität aus, die sich über die Erreichung von dissoziativen Zuständen beschreiben lässt: So beschreiben Patienten ihre Einfälle nicht mehr aus der Reflexion („Ich erinnere mich …“) sondern im unmittelbaren Wiedererleben der Situation, was von den unmittelbaren, zugehörigen Emotionen begleitet ist. Die Vergangenheit, die Vorstellung wird zur Gegenwart, der auch der Therapeut folgt, bspw. mit der Frage „Was fühlen Sie in diesem Moment?“ Der Wechsel dieser Zustände ist über die Schilderungen oft direkt beobachtbar.
In dieser Infantilisierung erleben sich die Patienten in einer Dissoziation, sie sind Erwachsene und Kinder, manche erleben mehr die Positionen des Über-Ichs und Es, manchmal werden sie von der Frage überrascht, wo das Ich ist. Genauso wird in der Fantasie das Bewusste, Unbewusste und Vorbewusste für sie klar sichtbar, was die Patienten und den Analytiker zusammen zur Dechiffrierungsarbeit führt.
Wie eingangs erwähnt habe ich mich absichtlich von klassischen hypnotischen Induktionen distanziert. Ebenso wird auf Suggestionen verzichtet, und darauf, Bilder vorzugeben. Dabei beziehe ich mich auf die psychoanalytische Regel, den Schwerpunkt auf die Entfaltung der Innenwelt des Patienten zu legen. Im Prozess des Kennenlernens werden Charakterzüge, Haltungen, Stimmungen, Hoffnungen, Warmherzigkeit, Sinneseindrücke, Einbildungskräfte, Empfindungen, Stimmungen, Neigungen, Wünsche, Vorstellungen, Reize und vor allem auch körperliche Reaktionen beobachtet.
Der Patient soll gemäß der Regel der freien Assoziation seine spontanen Einfälle dem Therapeuten mitteilen, ohne sie zu bewerten oder sich ihrer zu enthalten, auch wenn sie unangenehm oder unwichtig scheinen. In der Behandlung übernimmt der Patient die aktive Rolle und begibt sich in eine Kommunikation und Interaktion mit dem Therapeuten. In dieser Art ist die Technik in gewisser Weise auch an Breuers bereits erwähnter „Morgenhypnose“ von Anna O. orientiert, der ebenfalls auf Suggestionen verzichtete, und seine Patientin reden ließ.
Am Anfang werden, wie auch bei den in Kap. 8 dargestellten Patienten Hypnose, Entspannungstechniken und Visualisation angewandt: Wenn die Patienten auf der Couch liegen, sind sie in der Regel schnell in der Lage, in einen hypnoiden Zustand zu geraten, ohne Worte, ohne Anleitung. Der Therapeut begleitet den Patienten dann nur mit der Atmung und erreicht damit die Vertiefung des Trancezustandes.
Während der Behandlung erscheint es zudem wichtig, die Mimik des Patienten, die körperlichen Reaktionen, Furcht, Empfindungen sowie körperliche Zuckungen, die unwillkürlich geschehen, zu beobachten. Dabei hat es sich bewährt, den Patienten darauf aufmerksam zu machen, ob er sich dessen bewusst ist, was in diesem Moment geschieht.
In Hinblick auf die Bedeutung körperlicher Ausdrucksformen lässt sich an dieser Stelle auf Schilder verweisen, der die biologischen Aspekte in der Behandlung in den Blick nahm: Zucken, Zittern, Anspannungen, etc. während der Hypnose stellten für ihn für ihn Asudruckformen von Verdrängtem dar, die es für ihn für den Verstehensprozess zu beachten galt.
Auch in der Psychoanalytische Hypnosetherapie richten sich die Beobachtungen auf die körperlichen Reaktionen auf der Couch, die oftmals verstärkt zutage treten: es zeigen sich Verspannungen, Zuckungen oder Krampfanfälle. Eine Deutung kann sich dann daraufhin auf die Reflexion des Geschehens beziehen, so bspw.: „Ihr Körper erinnert gerade irgendetwas, das Sie nicht erinnern.” Darauf beginnen die Patienten Bilder oder Erinnerungen zu produzieren, Unbewusstes wird bewusst.
Auf die Frage hin, was der Körper erinnert, werden entweder uralte Erfahrungen aufgedeckt oder sie erleben diese in Form von Bildern und Symbolen, die immer noch unbewusst sind. Die Krampfanfälle zeigen dabei, dass starke Affekte tief verdrängt sind, besonders bei Patienten mit Zwang und Tinnitus. Ein Patient halluzinierte beispielsweise in der Hypnose. Der Autor nannte sein Schreien „Schreien in Stille“, weil der Patient oft mit all seiner Kraft, aber mit reduziertem Ton schrie, er war nicht in der Lage, laut zu schreien.
Oft lässt sich beobachten, dass Patienten gelernt haben, bedrohliche Gefühle, wie bspw. ihre Angst zu vermeiden, was bedeutet, vor ihnen davonzulaufen. Patienten lernten in schmerzvollen Situationen ihre Angst zu verdrängen, genauso wie ihre Wut, diese wird nicht durch das Ich, sondern über den Körper abreagiert. Patienten versuchen dieserart, mit ihrem Leidensdruck einen Ausgleich zu schaffen, entwickeln „falsche“ Vorstellungen und rutschen in körperliches Leid.
In der Analytischen Hypnosetherapie werden diese falschen Vorstellungen korrigiert. In der Psychoanalytischen Hypnosetherapie kommen diese Patienten in die Lage, sich z.B. mit jener Angst zu konfrontieren und im Zuge dessen auch der Gewinn durch das Symptom im Dienst des Ichs betrachtet werden kann.
Markant für diese Form der Therapie erscheint auch die Intensität der Affekte und Emotionen. Manchmal wird die Szene auf der Couch sehr dramatisch, Patienten erleben Konvulsionen, dadurch wird der Zugang zu den Affekten wiederhergestellt. Immer wieder erlebt der Autor, dass Patienten einen Tremor in den Extremitäten zeigen. Danach verspüren sie Wut auf das gehasste Objekt, die direkt stellvertretend auf den Analytiker in der Hypnose übertragen wird, der zur Projektionsfläche des Patienten geworden ist. Seine Bewegungen, seine Atmung oder Worte erzeugen manchmal Erinnerungen an den Täter oder an frühere Bindungsobjekte, der Analytiker wird dann gehasst.
Erlebnisse von Wut und Schmerz treten immer wieder auf, Patienten können auch Rachegefühle oder Todesfantasien erleben, so töten manche Patienten das gehasste Objekt oder ein früheres Bindungsobjekt in der Fantasie.
So zeigte beispielsweise die Erfahrung mit dem stotternden Patienten, dessen Fallgeschichte auch in Kap. 8 dargestellt wird, dass dieser sein ganzes Leben emotional sehr gehemmt war. Er hatte gelernt, ein „lieber, netter Kerl“ zu sein. Als der Patient seinen ganzen Hass auf den Therapeuten zu erleben und ihn zu beschimpfen begann, fand er einen Ausdruck für seine negativen Emotionen und einen Weg, diese durchzuarbeiten, und konnte auf diese Weise seine Symptome abgeben.
Patienten erleben dieser Art die traumatischen Erfahrungen oder eingeklemmten Affekte und Emotionen in der Hypnose wieder, damit kann die Korrektur der Erfahrung durch Fantasien und Empfindungen stattfinden und die verdrängten Affekte werden damit wiederhergestellt und befreit.
Die neurotische Übertragung findet in der Psychoanalytische Hypnosetherapie im Vergleich zur klassischen Psychoanalyse ziemlich schnell statt. In diesem somnambulistischen Zustand vertiefen sich die Patienten mehr in ihre unbewusste Welt, es entstehen oftmals innerhalb weniger Sitzungen bereits Bilder oder Beziehungsfantasien mit dem Therapeuten, der die Position des unbewussten Über-Ichs des Patienten erleben wird. Der Therapeut schweigt und begleitet.
Die Übertragung in der Psychoanalytische Hypnosetherapie gestaltet sich oftmals sehr intensiv. Chertok bezeichnete die Übertragung im hypnotisierten Zustand als „wild“ (Chertok 1969), aber auch Freud beschrieb, dass die Übertragung in der Hypnose unberechenbar war (vgl. Freud 1937c, S. 68), deren Heftigkeit auch im I. Teil der Arbeit auch einen Grund für die Distanzierung Freuds von dieser Technik vermuten ließ.
Wie beschrieben, behandle ich in meiner Praxis bewusst Patienten mit den drei verschiedenen Methoden: mit der klassischen Psychoanalyse, nur mit Hypnose, und mit der hier angeführten Kombination beider Methoden. Die Erfahrungen waren unterschiedlich, genauso wie die Übertragungsprozesse in beiden Methoden. In der Kombinationsmethode konnte ich jedoch beobachten, dass Übertragung und Gegenübertragung viel intensiver sind.
Hierzu lässt sich auch Paul Schilder anführen, der in seinem Konzept u.a. die Sexualität in der Übertragung fokussierte, und Beobachtungen des Auftretens von bspw. körperlichem Zittern als erotischer Erregung im Hypnoseprozess machte. Für ihn hatten Hypnose und Suggestion eine erotische Wurzel und beförderten diesbzügliche Übertragungsprozesse, mit intensiven Ausdrucksformen. In der Psychoanalytischen Hypnosetherapie lassen sich diese Übertagungstendenzen ebenfalls oft sehr rasch und heftig auftretend ausmachen, wie sich in einer der später folgenden Falldarstellungen in Kap. 8 auch noch zeigen wird.
In der Gegenübertragung werden die Gefühle des Patienten sehr intensiv spürbar. Es ist manchmal eine Trancearbeit, in der der Patient Bilder von dem, was er gerade erlebt, entwickelt. Manchmal ist es dem Therapeuten möglich zu intervenieren oder zu deuten, weil er die zugehörigen Affekte selber erlebt. Dies kann als Arbeitstrance, wie sie auch bei Puysegur und den Hellsehern beschrieben wird, verstanden werden. Dabei taucht im Therapeuten zum Beispiel ein beklemmendes Gefühl auf, er spürt eine Anspannung im Körper, erlebt die unmittelbaren Gefühle von Angst, oder ein Trauergefühl und beginnt zu weinen.
Genauso wie bei der Übertragungsneurose kann der Widerstand ziemlich schnell auftreten. Es wird dann schwer, da manche Patienten keine Bilder oder Erinnerungen produzieren und schweigen, wobei das Schweigen, wie Ferenczi gesagt hat, Gold ist. Während des Schweigens begleitet der Therapeut[3] den Patienten nur mit der Atmung, und der kann sich in den Trancezustand vertiefen.
Patienten mit zwanghaften und masochistischen Störungen beschleunigen aufgrund der Angst, die Kontrolle auf der Couch zu verlieren, den Widerstand, oder sie fürchten, dass sie irgendetwas erinnern oder sehen könnten, was sie nicht wollen. Der psychoanalytische Hypnosetherapeut wird von den Patienten als omnipotent und allwissend gesehen, damit verbunden ist der Wunsch, vom Therapeuten beschützt zu werden, was ihn in eine Infantilisierung mit unwillkürlichen körperlichen Reaktionen wie Zuckungen oder Zittern rutschen lässt. Manche Patienten sagen sogar, sie frieren und hätten gern eine Decke, weil es ihnen unerträglich kalt wird. Bei körperlichen Reaktionen wird gefragt, was der Körper erinnert, und erstaunlicherweise werden so viele Erinnerungen aufgedeckt.
Lorenzer A. (1985) bezeichnet den Psychoanalytiker als Detektiv. Diese Sichtweise repräsentiert für den Autor die moderne Erklärung für die Konzentration und Aufmerksamkeit auf das dargebotene unbewusste Material des Patienten im Dienst des Ich-Wachstums. Manchmal entstehen Fantasien, die, oberflächlich betrachtet, gar nichts mit dem betroffenen Patienten zu tun haben. Es handelt sich dabei um eine Verkleidung für das verdrängte Material oder für traumatische Erfahrungen, die der Patient nicht erinnern will.
Die Behandlung basiert auf den eigenen Ressourcen des Patienten, in gewisser Weise ist es eine Autosuggestion durch Vorstellungskraft. Durch die wieder erlebte negative Erfahrung wird das Ich gestärkt, indem der Patient den seelischen Schmerz in Begleitung des Analytikers aushalten muss. Die Korrektur findet statt, indem der Patient spürt, dass er mit diesem schwierigen Erlebnis nicht allein gelassen wird, sondern die Unterstützung durch den Analytiker erfährt. Angst und Schrecken lösen sich, der Patient darf und kann in dieser Situation seine Wut wieder ausleben, was er zuvor nicht konnte oder durfte. Damit erfolgt auch die Beseitigung des organischen Leidens. Die Analyse in der Hypnose führt so zur Klärung und Beseitigung des Symptoms.
Abschließend lässt sich der Kanon von hypnose-analytischen Ansätzen vielleicht folgendermaßen begreifen:
“I thought it was she, and she thought, it was me, and when we come near it weren´t neither one of us. Old saw (Marks 1947 S. 58) [Übers.: Ich dachte, es war sie, und sie dachte, es war ich, und als wir uns nahe gekommen sind, war es keiner von uns.] (Alte Sage)
Im folgenden Abschnitt soll nun die Praxis der Psychoanalytischen Hypnosetherapie anhand von fünf ausgewählten Falldarstellungen dargelegt, reflektiert und dem Diskurs bereitgestellt werden.
[1] Legieren, lat. ligare, verbinden, vereinigen (Meyers Enzyklopädisches Lexikon 1975, Band XIV, S. 723)
[2] Eitingon Max (1881-1943), polnischer Psychiater und Psychoanalytiker. Er war eine wichtige Figur in der Geschichte der internationalen Psychoanalytischen Bewegung bis hin zum Zweiten Weltkrieg. (Wörterbuch der Psychoanalyse Roudesco/Plon 2004, S. 208)
[3] Pacing und Leading sind Prinzipien der Tranceinduktion, die in der Hypnose zur Herstellung des Rapports angewendet werden. Pacing bedeutet Begleiten oder Folgen und kann auf einer verbalen und nicht verbalen Ebene stattfinden. (Wörterbuch der Psychotherapie. Stumm/Pritz 2000