Asthma
Beim Asthma bronchiale handelt es sich um eine chronische Entzündung und Überempfindlichkeit der Atemwege mit wiederholten Anfällen von Atemnot, Husten und Kurzatmigkeit. Ursache ist eine Überempfindlichkeit der Atemwegs-Schleimhaut auf verschiedene Reize.
Bei einem Asthma-Anfall schwillt die Bronchialschleimhaut an. Eine oftmals zusätzlich vermehrte Schleimproduktion verengt die Atemwege weiter. Zusätzlich zieht sich die Muskulatur der kleineren Atemwege (Bronchien und Bronchiolen) krampfartig zusammen. Durch diese Vorgänge wird die Luftversorgung zur und von der Lunge verringert oder verhindert.
Asthma bronchiale betrifft alle Altersklassen. Mit 50 Prozent sind jedoch Kinder unter 10 Jahren – vorwiegend Jungen – besonders stark vertreten. Bei erwachsenen Asthmakranken sind Frauen häufiger als Männer betroffen.

Wie entsteht Asthma?
Rund 20 Prozent aller Asthmafälle werden durch äussere Reize, wie Pollen, Hausstaub oder Tierhaare, hervorgerufen. Auch Entzündungen der Atemwege führen unter Umständen zu Asthma. Ein weiterer Teil der Patienten leidet unter Belastungsasthma, das bei körperlicher Anstrengung auftritt.
Die auslösenden Reize lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
· Unspezifische Reize: Alle Asthmatiker werden von einer Reihe von Reizen beeinflusst („Auslöserreize“). Dazu gehören: körperliche Anstrengung, Kälte, Zigarettenrauch, Parfums und Luftverschmutzung.
· Spezifische Reize sind: Pollen, Staub, Tierhaare, Schimmel und einige Lebensmittel. Diese Reize werden auch Allergene genannt.
· Darüber hinaus können weitere Faktoren einen Asthmaanfall auslösen: etwa eine von Viren oder Bakterien hervorgerufene Entzündung der Atemwege, chemische Dämpfe oder andere Schadstoffe am Arbeitsplatz.
Was kann einen akuten Asthmaanfall auslösen?
· Körperliche Anstrengung
· Kälte
· Zigarettenrauch
· Luftverschmutzung, Nebel, Chemikalien am Arbeitsplatz
Welche Beschwerden treten auf?
· Atemnot und Kurzatmigkeit
· Pfeifendes, zischendes Geräusch beim Ausatmen: das Giemen
· Hustenanfälle, besonders während der Nacht mit aufgehustetem, zähflüssigem Schleim.
Welche Warnsignale treten bei einem schweren Anfall auf?
· Bläulich gefärbte Haut und schnappende Atmung
· Erschöpfung bis zur Sprech-Unfähigkeit
· Verwirrtheit und Rastlosigkeit
· Inhalationsmedikamente verlieren ihre übliche Wirkung
Selbsthilfe
· Vermeiden Sie die Reizstoffe, gegen die Sie allergisch sind.
· Nehmen Sie die vom Arzt verordneten Medikamente zur Vorbeugung von Asthmaanfällen, auch wenn Sie sich gesund fühlen!
· Finden Sie heraus, unter welchen Umständen der Anfall auftritt, und versuchen Sie diese Situationen zu vermeiden.
· Falls Sie trotzdem einen schweren Asthmaanfall haben, sollten Sie sofort den Notarzt verständigen.
· Trinken Sie reichlich Flüssigkeit, um die Zähigkeit des Schleimes zu reduzieren.
Dass die psychische Seite bei diesem Krankheitsbild ihre Berechtigung hat, geht aus dem Umstand hervor, daß Atmung willkürlich gesteuert werden kann. Veränderungen der Atemtätigkeit geht mit bewußtem oder unbewußtem Erleben und allein schon mit einer Änderung der Körperhaltung (liegen, stehen, gehen) einher.
Ein Bronchospasmus aber ist willentlich weder herbeizuführen noch zu stoppen. Psychosomatikern der alten Schule fiel es immer schon schwer zu akzeptieren, dass der Mensch auch eine biologische Prägung hat; sie wollten vieles, wenn nicht alles auf den „Charakter“ zurückführen, auch weil körperliche Mechanismen vor 50 oder 100 Jahren einfach noch nicht bekannt waren. Weil sie nur dort suchen konnten (und wollten), wo inmitten der Nacht der Erkenntis das schummrige Licht vorläufigen Wissens strahlte, stürzten sie sich auf die Art der Emotion oder die Persönlichkeitsstruktur, um das Asthma-Rätsel zu lösen. Doch eine einheitliche Theorie konnte nie formuliert werden. (Kindlers Psychosomatik, Bd.1, 378ff; Bräutigam 1991, 185) Offensichtlich ist Asthma bronchiale keine psychosomatische Erkrankung in dem Sinne, daß seelische Faktoren (Stressoren, Traumata, Konflikt, Charakterstörung, Neurose) verursachend sind.
Einige psychosomatische Asthma-Theorien
Sie können aber von Fall zu Fall Auslöser sein. Die prinzipiell biologische Genese dieser Erkrankung wurde bereits 1882 beschrieben (Wettengel/Volmer 1994, 1), doch kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, daß diese Prämisse von einigen tiefenpsychologischen Schulen noch heute ignoriert wird.
So schreibt 1989 der Jungianer Alfred Ziegler unter dem Titel „Krankheitsbilder – Elemente einer archetypischen Medizin“, „das Leiden überfalle vor allem Menschen, die sich eines zwanghaften Dominierungstriebes nicht recht bewußt sind“ (zit. in Danzer 1994, 116ff). Ihnen fährt der Schreck in die Lunge, „wenn jemand anderes als sie selbst das letzte Wort haben könnte.“
Asthmatiker sind ideell und ethisch ansprüchlich, was sie gegenüber der Umgebung manchmal tyrannisch durchsetzen, und sie dulden keinen Widerspruch. „Der ‚Wille zur Macht‘ ist in den Asthmapatienten meistens ebenso ausgeprägt wie unbewußt“, heißt es bei Danzer (ebd.). Eine gleichberechtigte Beziehung zu anderen sei ihnen fremd. Die Tatsache, daß sie den Wunsch nach Dominanz abstreiten, sei nur ein weiteres Indiz für die Richtigkeit dieser Annahmen.
Nach Ziegler, der immerhin Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, könne die medikamentöse Therapie nur vorübergehend einen Anschein von Gesundheit herstellen, sie mache nicht wirklich gesund. Erst wenn der Patient seine Fehlhaltungen und Vernunftwidrigkeiten einsehe und ändere, trete wahre Gesundung ein. Andere Autoren scheinen der Meinung zu sein, daß man sich die entzündungshemmende Asthma-Therapie im Grunde sparen könne: „Der harte Weg der Selbsterkenntnis und Selbsterziehung ist besser als die Betäubung durch die Droge“. In einer Aufstellung der Therapieverfahren kommt bei ihnen die medikamentöse Therapie überhaupt nicht vor, und die Psychotherapie wird als „Methode der Wahl“, also als das zuerst einzusetzende Mittel, bezeichnet (in Danzer 1994, 119 und 127).
Ziegler weist immerhin die psychoanalytische Anschuldigung der „bösen Mutter“ als Ursache kindlichen Asthmas zurück. Die böse Mutter ist eigentlich die ambivalente Mutter, die das Kind auf sich fixiert und es gleichzeitig unterschwellig ablehnt, was Kinder sehr schlecht ertragen. Ziegler bezieht sich auf die orthodoxe Psychoanalyse, für die ein Asthmaanfall ein „Schrei nach der Mutter“, ein Symbol für die nicht gelöste Mutterbindung ist. (Franz Alexander 1950 in „Psychosomatische Medizin“) In einer anderen Interpretation ist der Asthmaanfall ein verstecktes Weinen um die nicht erreichbare Mutter (Bräutigam 1991, 182). Die Mütter von Asthmatikern sollen oft, aber nicht immer überprotektiv, dominierend und versteckt zurückweisend sein. In einer Untersuchung von 1964 wurde eine positiv akzeptierende Einstellung der Mutter in 44 Prozent der untersuchten Asthmakinder ermittelt, im Vergleich zu 82 Prozent der Mütter mit Kinder ohne Asthma (ebda., 184).
Das scheinbare Gegenteil vom „Schrei nach der Mutter“ postulierte der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich, der den Anfall als „Schrei gegen die Mutter“ interpretierte, genauer gesagt als Angst- oder Wutschrei gegen die Mutter. Der Patient entwickelt eine Ambivalenz zwischen dem Wunsch, sich anzuvertrauen, und Angst davor. Diese Mutter-Ambivalenz drückt sich auch in der noch heute vertretenen psychoanalytischen psychosomatischen Theorie des Asthma bronchiale aus, wobei irritiert, dass ein Asthmaanfall phänomenologisch doch eigentlich deutlich von einem Schrei zu unterscheiden sein müßte.
Die von der Psychoanalyse herkommenden Autoren um Kisker (1991) sehen „bei der Mehrzahl der Patienten… mittelgradige prägenitale Reifungsstörungen mit erheblichen Nähe-/Distanz-Konflikten“ (Kisker 1991, 125). Diese Patienten versuchen, die Kontrolle über die Distanz zum Gesprächspartner zu halten, was vom Gegenüber als Manipulation, versteckte Feindseligkeit und Gereiztheit empfunden wird. „Wenn das labile Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz nicht aufrechterhalten werden kann, tritt der Asthmaanfall ein.“ (ebd.)
Asthma ist für Kisker et al ein „Sinnbild“ des aus der Kindheit herrührenden Konflikts. Über die medikamentöse Therapie findet sich hier kein Wort. Immerhin wird in einem allgemeinen Absatz zur Psychosomatik nebenbei darauf hingewiesen, daß bei allen psychosomatischen Erkrankungen ein „körperlicher Dispositionsfaktor“ mitspielt. Nicht alle Patienten mit prägenitaler Reifungsstörung erkrankten psychosomatisch und nicht bei allen Patienten mit psychosomatischer Erkrankungen ließen sich prägenitaler Reifungsstörungen entdecken.
Auch in der orthodoxen Individualpsychologie wird nach Charakteranomalien des Asthmatikers gefahndet. Alfred Adler hatte zwar die angeborene oder erworbene „Organminderwertigkeit“ als Ausgangspunkt möglicher Reaktionen und Kompensationen ausgemacht, aber selbst dieser grundlegenden Annahme von 1912 wird nicht immer gefolgt: „Von einer generellen Minderwertigkeit der Schleimhäute des Atmungstraktes können wir nicht immer reden.“ (in Danzer 1994, 122ff) Asthmatiker seien vielmehr Hingabegestörte (sie können oder wollen nicht ausatmen), mit den Nebenbefunden Frigidität und Schlafstörungen. Sie lieben das Reine, Edle und Vollkommene und sind überdurchschnittlich stark von Verunreinigungen (schlechte Luft?) angeekelt.
Artur Jores („Der Asthmatiker“, Bern 1967) will beobachtet haben, daß viele von ihnen einen Band Goethe auf dem Nachttisch liegen haben mit der Parole, „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Der Asthmatiker habe oft eine empfindliche Nase, die er über andere rümpft. Sie sind ständig angespannt und können schlecht lachen und weinen. Viele von ihnen sind selbstbezogen und ichhaft. Sie setzten ihr Leiden gezielt ein, um ihre Umgebung zu beherrschen oder um frühberentet zu werden. Mit einem Wort, „die Erkrankung paßt zum Charakter“: der Asthmatiker ist eben zu zart und zu fein für diese böse und plumpe Welt!
Man mag diese Theorien als Skurrilität abtun, doch ihre Aktualität zeigt eine nach wie vor bestehende Bereitschaft zu einer Anthropologie und einer Metaphysik, die bedenklich stimmen muß, wenn in Überschätzung der Psychologie die körperliche Seite mißachtet und eine medizinische Therapie als überflüssig abgetan wird. Der Streit zwischen Somatikern und Psychikern um die Ursache von Asthma (und andere Erkrankungen) ist auch ein Disput um die Deutungshoheit über den Menschen. Alles, was mit den natürlichen Grundlagen des Homo sapiens zu tun hat, steht bei den Psychikern unter Verdacht , das wahre Wesen des Menschen zu übersehen. Sie möchten am liebsten ausblenden, dass der Mensch aus Fleisch und Blut besteht, und betreiben damit jene Vereinfachung, die sie den Biologen vorwerfen.
Noch einmal: Ursachen und Auslöser
Ich folge Bräutigam et al (1992), die betonen, „letztlich beruht das Krankheitsgeschehen auf der Trias Bronchospasmus, Schleimhautödem und muköse Dyskrinie“ (177). Sie weisen darauf hin, daß das allergische Asthma nicht eine Erkrankung der Bronchien, sondern ein Geschehen des Gesamtkörpers sei, weil über sensibilisierte Mastzellen und viele Transmitter (Histamin, Serotonin; Adrenalin, Prostaglandin) vermittelt. Diese körperlich gebahnte Bereitschaft „umgreift zunehmend auch bedeutungshafte Situationen und Vorgänge“. Mit dieser Formulierung wird auf die Asthmaanfallauslösung auch ohne akut vorhandenes Allergen angespielt. Erfreulich deutlich wird in diesem Lehrbuch zwischen Ursache und Auslöser von Asthma bronchiale unterschieden; während die Ursachen in einer physischen Disposition zu Verengung, Entzündung und Schleimbildung liegen, können Auslöser psychisch mitbedingt sein.
Bräutigam bringt ein Beispiel (aus den 50er Jahren): Eine 34jährige asthmakranke Lehrerin bekommt im Unterricht einen schweren Anfall. Später gibt sie an, sie könne frisch geölte Dielen nicht riechen. Warum nicht? Vor 18 Jahren, als Schülerin, bekam sie ihren ersten Anfall, als ein Lehrer sie schikanierte, das war in einem frisch geölten Klassenzimmer. Warum war die Schikane so schlimm? Weil sie in dem Fach früher immer gut war. Warum waren die Noten für sie so wichtig? Weil sie sich mit guten Noten für die Kühle und Interesselosigkeit in ihrem Elternhaus entschädigen mußte. Hier endet die Geschichte, doch man könnte weiterfragen: Warum waren die Eltern ihr gegenüber kühl? Welche Lebensgeschichte verbindet die Eltern mit ihren eigenen Eltern? Die psychische Seite scheint ein endlos in die Vergangenheit reichendes Geflecht zu sein; wo soll man beginnen, wem die Schuld geben, was als Ursache bezeichnen?
Die Frage, ob es sich bei den Persönlichkeitsmerkmalen um sekundäre, krankheitsabhängige seelische Züge handelt, stellt sich nicht nur hier. Bei längerer Krankheitsdauer, bei Einschränkung der Mobilität und der Lebensfreude, der Abhängigkeit von Ärzten und der Familie muß man ja seelische Veränderungen erwarten.
Bräutigam schreibt aber: „Gerade bei Asthmatikern läßt sich … zeigen, daß auch schon vor Beginn der chronischen Krankheit auffällige Züge wahrscheinlich zu machen sind, die sich offenbar im Laufe des Krankheitsverlaufs nicht mehr stärker ausprägen: eine Verminderung der Fähigkeit, Aggressivität nach außen zu richten, und Anschuldigungen aggressiv zurückzuweisen.“ (186) Was die empfohlene Theapie angeht, so wird die somatische Therapie nur spät und am Rand wähnt; die Psychotherapie soll sich des „asthmatischen Charakterpanzers“ annehmen, nicht der erdrückenden Mutter. Es wird als schwer geschildert, Asthmatiker zur psychotherapeutischen Mitarbeit zu bewegen. Die Kombination Medikamente/Psychotherapie habe sich als signifikant erfolgreicher erwiesen als nur die medikamentöse Therapie. Die Atemtherapie sei ein guter Einstieg für eine spätere Psychotherapie.
Doz. Dr. Wolfgang Pohl
Gerald Mackenthun, Berlin